„Es muss etwas geschehen,
es darf nichts passieren“
Kaiser Franz Josef I
1 Einleitung
Was ist die seltenste Flüssigkeit der Welt? Beamtenschweiß. Dieser Witz unbekannten Ursprungs bringt es auf den Punkt: Dem Beamtentum wird neben seiner Sicherheitsliebe vor allem ein Mangel an
Motivation unterstellt. Ein im August 2006 veröffentlichtes Dossier des F.A.Z.-Institut für Management-, Markt- und Medieninformationen GmbH widmet sich dem Arbeitsethos des Öffentlichen Dienstes und kommt überraschenderweise zu einem anderen Ergebnis, nämlich dass sowohl innerhalb der Bedienstenten als auch der Öffentlichkeit neben Zuverlässigkeit und Pflichtbewusstsein vor allem eines den Beamten auszeichnet: Verantwortung. So sprechen sich laut dem „Branchenbarometer Beamte“ 79% der Beschäftigten dafür aus, dass die Beförderung von Leistungsaspekten abhängig sein sollte. Zwei Drittel sehen dies zudem als eine geeignetere Besoldungsgrundlage, als Laufbahnenprinzip und Dienstjahre, unter den höheren Bediensteten sind es sogar 90% (Branchenbarometer Beamte der DBV).
Dagegen wird in der Fachliteratur die Meinung vertreten, dass das „Gewohnheitstier Mensch“ und besonders der konstanz- und ordnungsliebenden Beamte mit seinen kulturell verankerten und psychosoziale Beharrungskräfte eine strategische, strukturelle und marktgerichtete Reform verhindern. (Schäfer 2005 : 35). Den Widerständen gegen Reformen in Aufbau- und Ablauforganisation kann nur durch einen Abbau der Ängste der unmittelbar Betroffenen begegnet werden. Erst eine neue Mentalität und Qualität des Beamtentums auf allen Ebenen der ÖV, kann die Reform zum Erfolg führen.
Lösungsansätze für diese Problemstellung bietet das Change-Management. Ziel meiner Untersuchung ist es zu überprüfen, ob das Change–Management durch die systematische Einbeziehung und Motivation aller Betroffenen einen Reformschub durch zielgerichtete und integrierte Implementierung der Instrumente des NSM führen könnte. Neben der historischbedingten strukturellen Problematik des Reformstaus versuche ich, auf die Besonderheit des Beamtentums zu verweisen, die im Gegensatz zum rationalen Bürokratiemodell nach Weber behaviorale und psychosoziale Steuerungsansätze erforderlich machen. Hierbei konzentriere ich mich auf die Landesebene, da dieser eine Schlüsselrolle im Reformprozess zuteil wird.
2 Bürokratiemodell und -kritik
Max Weber charakterisiert die Bürokratie mit den Eigenschaften „hauptamtlich, fachlich ausgebildetes Personal; Trennung von Amt und Person; hierarchische Unter- und Überordnung von Dienstposten mit entsprechenden Weisungs- und Kontrollbefugnissen; formal festgelegte Arbeitsteilung und Spezialisierung; Regelgebundenheit der Aufgabenerledigung; Schriftlichkeit und Aktenmäßigkeit aller Vorgänge mit der Möglichkeit interner und externer Kontrolle“
(Weber 1976 : 551) und wertet diese als beste Herrschaftsform als „legale Herrschaft durch Satzung“. Dies begründet er darin, dass die Weisungen der ernannten Beamten an die Bürger innerhalb „gesatzter Regeln“ erfolgten (vgl. Weber 1992 : 151-152), was die Grundlage des „reinsten Typus“ der rational legalen Herrschaft und effektiven Verwaltungshandelns bildet.
Der beschriebene Idealtypus gab vielen Anlass zur Kritik. Robert Merton bezweifelt das rein rationale Handeln des Beamten und verweist auf behaviouralistische Erkenntnisse (Preisendörfer 2008 : 160ff). Darüber hinaus gibt er zu bedenken, dass Regeln, die einem Zweck dienen, zum Selbstzweck werden könnten (Albert 2005 : 154). Reinhard Benedix beschreibt das Machtpotential der Bürokratie als „allmächtig und zugleich unfähig, zu entscheiden, wie [es] ihre Macht gebrauchen soll“ (Bendix 1968 : 359). Thomas Ellwein verweigert die Definierbarkeit: „[D]ie Besonderheit der Verwaltung [mag] darin liegen, dass man sie zwar beschreiben, aber nicht definieren kann“ (Ellwein 1986 : 10). David Easton beschreibt in seinem Environment-Input-Output-Feedback-Modell ein System, welches Inputs in Outputs transformiert, wobei in der Transformation als „Black Box“ nur die Ergebnisse, nicht jedoch den Prozess des Zustandekommens sichtbar sind (Easton 1965 : 32). Systeme, die Bestand haben sollen, müssen sowohl anpassungsfähig, zielgerichtet und integrativ sein wie auch latente Strukturen erhalten.
3 Reformbedarf strukturell verankerter Probleme
Die Bürokratie ist ein gesellschaftliches Produkt der historischen Entwicklung (Mayntz 1997: 3) und entwickelt sich mit der Veränderung der Gesellschaftsstruktur (Mayntz 1997 : 12). Der Verlauf der Verwaltungsentwicklung gibt Aufschluss über die Problemursachen. Nach dem 2. Weltkrieg kam es im Rahmen der Entnazifizierung zu einer Neubildung der Öffentlichen Verwaltung in Deutschland durch die Alliierten; dennoch bestand sie weiterhin aus strukturellen Elementen des 19. Jh. Ein starkes Wachstum einhergehend mit einem Anstieg der Beschäftigten (Wahl 1987 : 217) hatte erste Reformversuche in den 60-70ern zur Folge, die jedoch erfolglos blieben und eingestellt wurden. Einsparforderungen an die stark angewachsenen Verwaltung (Pollitt / Bouckaert 2004 : 256) waren die Folge der veränderten soziodemografischen Lage (Anstieg von Arbeitslosigkeit und Sozialhilfe etc.). Dazu kam die zunehmende Unzufriedenheit der Öffentlichkeit und der Regierung sowie der gewachsene externen Druck durch die verschlechterte wirtschaftliche Entwicklung seit den 90ern, die durch die Wiedervereinigung verstärkt wurden. Hierbei versuchte man das Leistungsspektrum der Öffentlichen Verwaltung auf die Kernaufgaben des Staates zurückzuführen um die Staatsausgaben zu reduzieren und den Verwaltungsapparat zu verschlanken. Der normative Charakter dieser Forderung und Schwierigkeiten der Definition der Kernaufgaben gestaltet eine Operationalisierung der abgeleiteten Ziele als schwierig, da diese u.a. stark von der politischen Ausrichtung abhängen. Zudem stellten sich keine Erfolge in der Inputminimierung und Effizienzsteigerung ein – der Fokus lag auf Leistungsabbau. Privatisierungen stellten in den 90ern eine effektive „Schlankheitskur“ dar, da der Verwaltungsapparat abgebaut und die Kassen gefüllt wurden (Siemar 2003 : 178ff). Die Reformen richteten sich jedoch primär auf Gesetze und vernachlässigten das Verbesserungspotential einer strukturellen Reform. Die „Defizite wie Dysfunktionalitäten des Verwaltungshandelns, strukturelle Pathologien und Ineffizienzen im Umgang mit finanziellen und personalen Ressourcen“ sollen durch die Implementierung von Managementmodellen aus der Privatwirtschaft abgebaut werden (Hoon 2003 : 34). Die Zielsetzungen des New Public Managements (NPM) ist die Neubestimmung öffentlicher Aufgaben sowie seine effizientere Restrukturierung einzelner Verwaltungseinheiten (Binnenmodernisierung) (Bogumil 2005 : 199). So versucht man der strukturellen Verankerung der Probleme durch Erkenntnisse aus der Neuen Institutionenökonomie (NIÖ) aufzubrechen und zu beheben. Hierzu sind die Modelle der Bounded Rationality, der Principal-Agent– und der Property-Rights-Theorie zu nennen.
4 Implementierung, Umsetzung und Widerstände
4.1 Kritische Würdigung Reformelemente
Die „Einführung von modernen Managementmethoden“ zielt primär „auf Einspareffekte (Effizienzgewinn, Abbau der Staatstätigkeit) der Verwaltung und weniger auf die Steigerung der Intelligenz der Verwaltung (Effektivitätsgewinn, Optimierung des Verhältnisses von Staat und Gesellschaft)“ ab (Naschold 2000 : 87). Die Landesverwaltungen haben unter den Gebietskörperschaften den größten Personalbereich, weshalb Personalabbau besonderes Einsparpotential entfaltet. Die Anwendungen der einzelnen Maßnahmen des NPM hängen von den parteipolitischen und besonders von den personellen Konstellationen, wie z.B. dem jeweiligen Minister (Bogumil 1999 : 9), ab, was eine einheitliche, integrierte Modernisierungsstrategie behindert. Auch Machtkonstellation bzw. Mikropolitik bestimmen (Naschold 2000 : 106ff) Implementierungsstrategie und Umsetzung, da die Angst vor Macht- und Kontrollverlust, Abbau von Arbeitsplätzen – also utilitaristische Überlegungen der Involvierten – Entscheidungen beeinflussen und die Instrumentalisierung des Instrumenteneinsatzes bewirkt. In vielen Fällen beschränken sich die Bemühungen auf Pilotprojekte und Insellösungen, die punktuell die Elemente Produktdefinitionen, KLR, Controlling und vor allem der Budgetierung umsetzen. Auch IT-Module in Form von eGovernment-Lösungen kommen mit dem Ziel der Bearbeitungsbeschleunigung zum Einsatz (Vehslage 2001 : 374ff), jedoch bilden die Akzeptanz und „Media-Literacy“ Hindernisse, so dass der PC häufig nur die Schreibmaschine ersetzt. Kommunikationsmittel bleibt aus Gewohnheit häufig die Akte, was die Datenaggregation als Grundlage der Effizienzbewertung auf Grund von Medienbrüchen erschwert (glossar.ccegov.ch/index.php?title=Medienbruch am 21.05.2008). Als Motivationsgrund lässt sich hier in einigen Fällen auch die positive Kommunikationswirkung und imagebildende Wirkung der Maßnahmen unterstellen („Laptop und Lederhose“ in Bayern vgl. http://www.zeit.de/2003/39/Alltag_2fSt_9alzl_39 am 19.05.2008).
Die Trennung zwischen fachlichen und zentralen Diensten führt zu dem Problem der „organisierten Unverantwortlichkeit“ (Bogumil 2006 : 132), da Ministerien, regionale und lokale Verwaltungseinheiten und Sonderbehörden bei Problemen auf die Mitverantwortung anderer Behörden verweisen, was die Ursache für langwierige Genehmigungsverfahren bildet. Hinzu kommt das Dienstwegprinzip, nachdem keine Entscheidungen ohne Absicherung getroffen werden. Die Folge auch hier: Verlängerung der Bearbeitungszeit.
Dieser komplexen Situation wird nicht in ausreichendem Umfang begegnet, da sich die Reformbemühungen auf Veränderungen innerhalb der Einheiten beziehen, das größere Optimierungspotential allerdings in der Arbeit und Kommunikation zwischen den Bereichen liegt. Die enge Verknüpfung von Politik und Verwaltung auf Landesebene erschwert die Planbarkeit, da sich Prioritäten auf der Ebene der Ministerialverwaltung relativ kurzfristig ändern können. In vielen Fällen erfolgen nicht die erforderlichen personellen Freistellungen von internen Organisationsbeauftragten, um die Maßnahmen umzusetzen.
4.2 Status Quo des Instrumenteeinsatzes
Es bleibt festzuhalten, dass der punktuelle Einsatz der Instrumente keine Synergien ermöglicht (Banner 2002 : 9-12). Die Bilanz nach 15 Jahren NSM führt zu dem Ergebnis, dass das Ziel, durch dezentrale Führungsstrukturen und Wettbewerbselemente (eProcurement, Ausschreibungen etc.) die Eigenverantwortlichkeit der Ressorts zu fördern, wird nur in Ansätzen erreicht wird. Trotz Anwendung und Aufbau von KLR und Organisations-entwicklung wird die Differenzierung und Reintegration des Verhältnisses von Politik und Verwaltung nur zögerlich umgesetzt. (Bogumil 1999 : 10ff). Neben dem internen bedingten Reformstau wurden in letzter Zeit die Befürchtung einer Reformstagnation, der Abnahme der Steuerbarkeit der Verwaltung und der benötigten finanziellen und personellen Ressourcen laut.
4.3 Black-Box – Der Beamte als Transformator
Besondere Defizite sind in der
Personalentwicklung aufzuführen, obwohl Konsens darüber besteht, dass diesem Reformelement besondere Bedeutung beigemessen wird, da hier großes Optimierungspotential liegt (Schäfer 2005 : 71). Die Reformansätze bleiben hier weit hinter den Möglichkeiten zurück, da in erster Linie die Adaption an das privatwirtschaftliche Modell über Einstellungen neuer Mitarbeiter mit betriebswirtschaftlichem Schwerpunkt erfolgt. Die Einflussnahme des Personals auf die Reform wird in der Vielzahl der Fälle als gering angesehen. Durch die Operationalisierung von Zielen durch Kontraktmanagement, dezentrale Organisationsstrukturen Qualitätsmanagement, KLR, Controlling und Budgetierung sollen Komplexitätsreduktion, schnellere und kürzere Bearbeitungswege, Eigenverantwortung, Transparenz und Identifikation bewirkt werden (Naschold 2000 : 87). Der von Weber charakterisierte Beamtentypus denkt und handelt aber in strengen Hierarchien. Seine Motivation – der Aufstieg innerhalb dieser Hierarchie – wird durch den Hierarchieabbau gemindert. Anreizsysteme können dies nur bedingt kompensieren, da auch sie eine Neuerung darstellen. Weitere Folgen der Dezentralisierung und der Verteilung von Verantwortung sind Konkurrenzdenken und Ressortegoismus. Die größten Hemmnisse stellen jedoch die Ängste der Betroffenen dar. Das Lebenszeitprinzip hat zur Folge, dass viele Beamte seit Jahrzehnten die gleichen Gewohnheiten pflegen und der Phase den an sie gerichteten Anforderungen mit Unsicherheit und Ablehnung begegnen (Schäfer 2005 : 35, 70). Die Angst vor Kompetenzverlust und Stellenabbau, technische Überforderung wie auch die Macht der Gewohnheit mindert die Veränderungsbereitschaft der Betroffenen. Im Folgenden möchte ich anhand eines Abrisses des Change-Managements und der Integrierten Kommunikation Lösungsvorschläge der Problematik entwickeln.
5 Reform der Reform: Das Menschenbild und seine Folgen
5.1 Von der Neoklassik zum „modernen“ Homo oeconomicus
Der rationale handelnde Idealtypus des Beamten – wie von Max Weber beschrieben – gilt in der NIÖ als überholt, da Individuen eine begrenzte Rationalität (Bounded-Rationality) zugewiesen wird. Beamte werden als „sicherheitsliebend“ und „einen Dienst nach Vorschrift“ absolvierende Menschen charakterisiert (Sywottek 2006 : 75), doch auch sie müssen Entscheidungen unter „Zeitdruck, Komplexität und vor allem Unsicherheit“ treffen (Osner 2001 : 31), da sie sich nicht gänzlich der Verantwortung entziehen können, wie ihnen gerne unterstellt wird. Durch die Begrenztheit seiner kognitiven Kapazität ist auch die Aufmerksamkeit begrenzt, mit der Folge, dass Problemlösungsprozesse nicht parallel ablaufen, sondern durch Priorisierung sequenziell ablaufen. Diese vorangestellten Meta-Entscheidungen trifft das Individuum nicht nach extrinsischen, sondern intrinsischen Bewertungskriterien (Osner 2001 : 32) und Präferenzen. Für den Reformprozess ist hierbei von Bedeutung, dass der Wissensstand des Beamten seine Motive und somit seine Entscheidung beeinflusst. Das rationale, statische Modell vernachlässigt die Auswirkungen von Bounded-Rationality auf Entscheidungen und Vorentscheidungen. Die zuvor beschriebene „organisierten Unverantwortlichkeit“ verstärkt die Motivationsdefizite, da die oberste Präferenz Gewohnheit lautet. Der Erkenntnis, dass Präferenzen vor Rationalität stehen, werden die aktuellen Reformansätze nur bedingt gerecht. Die Eigenverantwortung und damit einhergehende Entscheidungsfreiheit innerhalb von Hierarchien und Gesetzen kann nur dann zielgerichtet funktionieren, wenn die Geführten wollen, was sie sollen (Nassehi 2005 : 94). Dieser Motivationsleistung durch Zielvorgaben, Kommunikation, Integration und Qualifikation widmet sich das Change-Management.
5.2 Integrierte Kommunikation und Change-Management als Katalysatoren im Reformmotor Öffentlicher Dienst
Das Change-Management (Veränderungsmanagement) ist die systematische Vorbereitung und Begleitung von Veränderungsprozessen durch die Integration zweier Änderungsebenen: Die fachliche Dimension beschreibt den sequenziell verlaufenden entscheidungsorientierten Ansatz (Meffert 2008 : 37), den der Reformprozess des NPM verfolgt. Zusätzlich bettet das Change-Management eine überfachliche Dimension (Stolzenberg 2006 : 3) zur Aktivierung des Individuums in die fachliche Ebene ein. Der Einsatz eines systematischen Change-Managements ist von der Anzahl der involvierten Mitarbeiter und Führungskräfte abhängig, sowie dem Ausmaß der Veränderung (Stolzenberg 2006 : 3) – wie geeignet für die Organisationskomplexität der Öffentlichen Verwaltung und die Reformtiefe des NPM. Die geforderte Einbindung aller für die jeweiligen Reformschritte relevanten Personen und die Aktivierung von Multiplikatoren innerhalb und außerhalb der Verwaltung wurde vernachlässigt, was den zuvor beschrieben Mangel an Akzeptanz, Involvement und Committment vieler Beteiligten zur Folge hatte und in dem aktuellen Reformstau mündete. Vielmehr wurden dezentral „Top-Down“ (Naschold 2000: 107) mehr oder weniger operationalisierte Zielvorgaben (Stolzenberg 2006 : 51) mit unterschiedlicher Eindeutigkeit formuliert, die uneinheitlich waren und zum Teil aufgrund der Intransparenz ihrer Folgen und Tragweite Ängste und Ablehnung unter den Betroffenen auslöste. Eine einheitliche Vision, die alle Beteiligten mit den ihnen relevanten Veränderungen bekannt ist, ist bei komplexen Reformprozesse eine grundlegende Notwendigkeit, um Zielkonflikte auf allen Ebenen zu vermeiden (Schäfer 2005 : 22). Durch den integrierten Einsatz von Kommunikationsmedien für alle internen und externen Stake Holder (vgl. „Relationship Marketing“, Bruhn 2003 : 8) können systematisch Informationen bereitgestellt werden, die dem individuellen sachlichen und emotionalen Informationsbedarf durch Push- und Pull-Medien begegnen und die Akzeptanz und Motivation der Reformbemühungen vergrößert. Die Ursachen für die Ängste liegen in der Nichtbeachtung des emotionalen Informationsbedarfs (Stolzenberg 2006 : 62), der in dem System Bürokratie bisher keinen Platz fand.
Eine Roadmap legt in der Planungsphase Einzelmaßnahmen und „Milestones“ in der Auftau-, Bewegungs- und Einfrierphase fest, die die Veränderungsmaßnahmen kontinuierlich und den jeweiligen Informationsbedürfnissen entsprechend begleitet und betreut. Die Kommunikation erfolgt jedoch nicht nur einseitig, sondern ermöglicht einen Dialog, der durch die Initiierung und Förderung der Beteiligung die fachliche Qualität (Stolzenberg 2006 : 112) der Veränderungsbemühungen durch den Ausgleich von Informationsasymmetrien verbessert. Die Planung von formalen und informalen Beteiligungsmaßnahmen (Stolzenberg 2006 : 116) und ihr zeitlicher Einsatz erhöhen das Selbstbewusstsein, das Gemeinschaftsgefühl und die Identifikation mit der Organisation und ihren Zielen und aktivieren glaubwürdige Multiplikatoren aus den Reihen der Betroffenen. In der letzten Phase erfolgt die Qualifizierung der Beteiligten, wobei nicht nur die fachliche Schulung, sondern kognitive, emotionale und verhaltensbezogene Lernprozesse stattfinden (Stolzenberg 2006 : 163). Im Rahmen des NPM wurde der Fokus auf das „Können“ gelegt; „Wissen“ und „Wollen“, die die Notwendigkeit und Akzeptanz der Schritte auf allen Ebenen bewirken, fanden nicht die notwendige Beachtung, da bislang Gehorsam einen höheren Stellenwert als Motivation innehatte. Als letztes Modul des Change-Managements ist das Action-Learning-Set (nach O. Donnenberg) vorzustellen, welches den systematischen Erfahrungsaustausch vertikal und horizontal fördert, die Beteiligung vergrößert und den Beteiligten Beratungskompetenz verleiht.
6 Fazit
Das Change-Mangement stellt aufgrund der Tragweite der Reform der komplexen Organisation der Öffentlichen Verwaltung ein probates Mittel dar, um den Reformstau zu lösen. Aufgrund der Reformfortschritte und dem dezentralen Vorgehen gestaltet es sich jedoch als schwierig, „auf halbem Wege“ die überfachliche Veränderungsebene systematisch in den Reformprozess zu integrieren. Auf jetzigem Stand werden als zusätzliche Ursachen des Reformstaus (Christofoli 2007 : 144) auch der zeitliche, personelle und monetäre Mitteleinsatz bewertet, die das Change-Management erfordert. Trotz des anfänglichen Reformeifers sind die Bemühungen ins Stocken geraten. Grund hierfür ist die Vernachlässigung der Verwaltungskultur bei der Adaption der Management-Modelle, die Diskontinuität der Maßnahmen durch mangelnde Zielvorgaben und die Vertrauensabnahme an die Führung (Hofmeister 2003 : 60ff). Zudem wird die Frage laut, ob die Managementverfahren mit dem Öffentlichen Dienst kompatibel sind (Alonso 2006 : 14-24) und ob wirtschaftliches Handeln innerhalb von Gesetzesvorgaben überhaupt möglich ist (Bolay 2001 : 179-183).
Um den geforderten Reformschub zu erreichen, muss ein integrierter Einsatz der Instrumente des NPM auf allen Ebenen von einer steuernden Zentralinstanz geplant werden. Der punktuelle Einsatz ohne herausragende Erfolge führt zu Frustration und Ängsten unter den Betroffenen, da ihre zusätzliche Belastung subjektiv sinnlos erscheint und Synergien ausbleiben. Es bleibt zu hoffen, dass die Ausdehnung des von der HfV Speyer ausgeschriebenen Qualitätswettbewerbs auf europäischer Ebene („European Public Sector Award“) die Bedeutung integrierter Lösungen und das Lernen voneinander weiter ins Bewusstsein rückt und durch Erfolgsgeschichte Motivation und Vorbilder für einschneidende Reformen liefert. Bis diese Lösungen Anwendung finden, werden die Reformbemühungen hin zu einer neo-weberianischen Verwaltung in den aktuellen hybriden Strukturen stagnieren. Weitere interessante Forschungsfragen wären die Amortisationsdauer der Kosten eines zielgerichteten, effizienten Reformkonzeptes, dem nicht durch eine Fehleinschätzung des finanziellen Aufwandes auf halbem Wege „die Puste ausgeht“.
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Ob
Teambuilding-Events für das Change Management die Reformqualität in der öffentlichen Verwaltung erhöhen könnten?